Systemische Aufstellungen
Was ist eine systemische Struktur-Aufstellung?
Der Begriff „System“ bzw. „systemisch“ wird heutzutage sehr häufig verwendet. Könntest du erklären, was genau damit gemeint ist?
Von einem System spricht man dann, wenn eine Mehrzahl von Elementen miteinander verbunden ist und interagiert. Es beschreibt ein einheitliches Ganzes, das nach bestimmten Regeln funktioniert und nach außen hin abgegrenzt ist. Die Grenzen, die innere Struktur und der gemeinsame Zweck machen das System beschreib- und benennbar. So ist zum Beispiel ein menschlicher Körper ein extrem komplexes System. Auch eine Familie ist ein System, eine Firma, eine Ehe, eine Schulklasse etc.
In jedem System gelten Systemprinzipien, die den Erhalt des Systems sichern. Werden diese Prinzipien verletzt, hat das Folgen. Wird zum Beispiel in einem Familiensystem das Prinzip der Zugehörigkeit verletzt, indem man ein Mitglied ausschließt, bleibt diese „Wunde“ spürbar. Es kann sein, dass in Folgegenerationen jemand durch Symptome auf diese Wunde hinweist, damit diese Verletzung behandelt wird.
In der Aufstellungsarbeit werden Überlebensleistungen aus der Vergangenheit wahrgenommen und gewürdigt. Aus der Sicherheit der Gegenwart heraus, kann das Vergangene körperlich wahrgenommen, emotional eingeordnet und mental nachvollzogen werden. Ein neues Bild wird etabliert und gefühlt. Die Wunde wird integriert und kann heilen.
Ablauf einer Aufstellungsarbeit:
1) Vorgespräch mit Anliegenklärung und Erstellen des Genogramms
Ein Genogramm ist eine grafische Darstellung einer Familienstruktur über mehrere Generationen hinweg. (Beipielfoto) Weiters wird der Ergebniswunsch geklärt und entschieden, welche Aufstellungsform gewählt wird;
2) Die Aufstellung kann erfolgen mit (hier jeweils ein/mehrere Beispielfotos zeigen)
a) Figuren auf einem Systembrett
b) Bodenankern
c) Repräsentanten
3) Nachgespräch nach ca. 2 Wochen
Eine Aufstellung wirkt erfahrungsgemäß langsam und lange nach. In diesem Gespräch können etwaige Fragen geklärt werden, weitere Schritte besprochen und offen geblieben Themen nachbearbeitet werden.
Fallbeispiel:
Eine Klientin kommt in die Praxis mit dem Anliegen, ihre Schwierigkeiten mit dem Erleben emotionaler Nähe zu bearbeiten. Sie fühle sich „wie hinter einer Glaswand“ in Beziehungen, könne Nähe ganz schlecht zulassen, obwohl sie sich doch sehr danach sehne.
Bei der Erstellung ihres Genogramms kommt zu Tage, dass ihre Großmutter mütterlicherseits ein sehr schweres Schicksal erleben musste: sie wuchs ohne Vater in der Obhut einer Tante auf, die Mutter war kaum anwesend, da mit Geldverdienen beschäftigt, der später hinzukommende Stiefvater hat das Mädchen abgelehnt und die eigenen Kinder immer bevorzugt. Sie hat ihre Familie dann früh verlassen, wurde mit 18 Jahren schwanger von einem verheirateten Mann, der das Kind nicht anerkennen wollte. Auch ihre spätere Ehe war schwierig, der Mann Alkoholiker, ein ständiger Kampf um’s Überleben, wie die Klientin erzählte. Die Mutter der Klientin trug als älteste Tochter sehr früh viel Verantwortung und erlebte Bedrohung und Gewalt durch den Vater. Auch sie wurde dann sehr früh Mutter und musste sich alleine durchschlagen, weil der Vater der Klientin sich für eine andere Frau entschied und sich nicht weiter um die Tochter kümmerte. Die Klientin möchte gerne eine stabile Partnerschaft, auch gerne eine eigene Familie gründen und scheitert immer wieder in ihren Beziehungen ohne genau sagen zu können, woran es liegt. Nähe zuzulassen fällt ihr schwer.
Zum Tragen kommen hier die „Überlebensstrategien“ der Frauen, die unter den fehlenden oder bedrohlichen Bezugspersonen gelitten haben. Um die Ablehnung (Verletzung des Prinzips der Zugehörigkeit) ertragen zu können, haben sie eine Art „inneren Schutzpanzer“ aufgebaut. Man weiß heute aus der Epigenetikforschung (dazu kommt demnächst ein extra-Blog), dass diese Strategien an die folgenden Generationen weitergegeben werden. Zusätzlich prägen Denkmuster und Glaubenssätze der Bezugspersonen unbewusst die Nachkommen. In diesem Fallbeispiel spürt auch die Enkelin/Tochter diesen Schutzpanzer, obwohl er in ihrem Leben gar nicht „Not-wendig“ wäre. Die Übernahme dieses Muster ist in ihrem gegenwärtigen Leben eine störende Blockade auf unbewusster Ebene. In der Aufstellung wird dies bewusst gemacht, ganzheitlich wahrgenommen und hin zu einer geordneten, positiven Lösung bearbeitet. Ein inneres Bild wird verändert und neu integriert. Dieser innere Prozess wird mit der Aufstellungsarbeit begonnen und kann einige Wochen/Monate dauern.
In unserem Fallbeispiel wurde in einer Aufstellung mit Repräsentanten die Belastung der Großmutter der Mutter und der Klientin selbst sicht- und spürbar. Das Leid wurde gewürdigt, übernommene Lasten wurden an ihren rechten Platz gebracht, blockierende Muster und Verstrickungen gelöst. In einem geordneten System steht jedes Familienmitglied auf seinem Platz und es kehrt Ruhe ein. Die Klientin konnte im Schlussbild ihren Partnerschaftsplatz als frei und positiv wahrnehmen.
Im Nachgespräch war bereits eine erleichternde Veränderung bei der Klientin spürbar. Wir haben noch einen weiteren blockierenden Glaubenssatz mit einer Coaching-Methode verändert und konkrete Umsetzungsschritte erarbeitet.
Heute, zwei Jahre später, wohnt die Klientin bereits seit einiger Zeit mit ihrem Partner zusammen. Ich durfte das Paar in einem schönen Partnerschafts-Leitbildprozess begleiten. Sie sind beide entschlossen, ihre Beziehung nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen zu gestalten und achtsam miteinander umzugehen. Für mich ist es sehr schön, ihre Freude mitzuerleben!
„Ich bin Teil einer Familie. Ein paar Seiten ihrer Geschichte, ein Stein in ihrem Mosaik. Ein Cocktail aus Genen, geprägt, geformt, mit jeder Menge Codes versehen – und zugleich mit der Freiheit sie zu knacken. Wenn ich will. Ich bin viele.“